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„Karriere ist ein seltsames Wort“
David Afkham gehört zur ganz neuen Dirigentengeneration
concerti | Christian Schmidt, 2. August 2013
© Gisela Schenker
Sympathisch bodenständig wirkt die Familienwebsite der Afkhams: Fotos von privaten Auftritten wechseln sich ab mit Meldungen zur professionellen Entwicklung der persisch-deutschen Arztfamilie. Nein, David Afkham ist nicht der einzige Musiker seines Namens. Seine vier Geschwister haben alle das mitbekommen, was zur vorletzten Jahrhundertwende noch in allen großbürgerlichen Häusern üblich war: eine fundierte hausmusikalische Ausbildung. „Ich habe die Musik praktisch mit der Muttermilch aufgesogen und schon als ganz kleines Kind auf dem Klavier die Tasten gedrückt, wurde auch sehr früh mit in Konzerte genommen. Ich bin sehr dankbar, dass mich diese Musikalität in meiner Familie so geprägt hat“, sagt Afkham heute. Drei Sprosse machten das Hobby zum Beruf, Bruder Micha spielt Bratsche bei den Berliner Philharmonikern.
Anschub von Mentor Bernard Haitink
Am weitesten aber hat es bisher der jüngste gebracht: David Afkham, 1983 in Freiburg geboren, kann bereits auf eine beachtliche Karriere zurückblicken. Nach seinem Dirigierstudium in Weimar assistierte er bei Bernard Haitink und gewann mehrere wichtige Preise. „Das öffnete manche Türen, insgesamt hat mir aber auch oft der Zufall geholfen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein“, meint Afkham heute rückblickend. Und natürlich sein Mentor Bernard Haitink, den der Nachwuchsdirigent bis heute noch trifft, um mit ihm aufführungspraktische Details von den anstehenden Werken zu diskutieren. „Maestro Haitink war ein Geschenk des Himmels, ihm verdanke ich außerordentlich viel. Und er hilft mir mit seiner Erfahrung und seiner Herangehensweise an die Musik sehr.“
In schneller Folge arbeitete David Afkham wichtige Debüts ab: bei den Orchestern der ersten Garnitur in Amsterdam, London, Mailand, Berlin und Tokio. Wie geht so etwas bloß? Andere Dirigenten, durchaus auch talentierte, kommen nie so weit. „Das ist wie ein Puzzle, das man nicht selber legt. Vieles ergibt sich einfach. Und Karriere ist sowieso ein seltsames Wort: Mir geht es immer um die Musik, und es macht keinen Unterschied, ob ich vor einem Hochschulorchester stand oder im Concertgebouw.“
Mahler kommt später
Nun sind ja nicht alle großen Orchester immer begeistert, wenn ein so junger Mann ans Pult tritt und gestandenen Musikern erklären will, wie man eine Brahms-Sinfonie spielt. Nicht immer kann die Chemie stimmen. Aber aus eigener Erfahrung berichtet David Afkham fast nur Gutes: „Ich glaube, die Leute spüren, dass ich die Musik um ihrer selbst willen dirigiere, dass ich sie sehr ernst nehme. Es geht mir nicht um die Befriedigung meines Egos.“ Sieht man Afkham dirigieren, teilt sich durchaus mit, wie er die Werke durchdrungen, sich darauf vorbereitet hat. „Mit Notenlesen allein oder einer sauberen Schlagtechnik hat man noch gar nichts gewonnen. Ich brauche zum Teil mehrere Jahre, bis ich glaube, ein Werk und seinen kulturhistorischen Hintergrund so verstanden zu haben, dass ich mich damit vor ein Orchester traue.“ Museumsbesuche, Sekundärliteratur, Diskussionen mit Kollegen – all das gehört für David Afkham zu einer guten Vorbereitung. Und für manche Sinfonien – etwa die von Bruckner oder Mahler – fühlt sich David Afkham auch heute noch nicht bereit. „Zum Beispiel Beethoven ist so groß, davor habe ich einen wahnsinnigen Respekt. Aber irgendwann muss man auch damit anfangen. Ein ganzes Leben reicht ohnehin nicht, um am Ende sagen zu können: So ist es gemeint.“
Diese Ernsthaftigkeit gibt er auch gern an Nachwuchsorchester wie die Junge Deutsche Philharmonie weiter, mit der er im September auf Tournee geht. „Das ist ein exklusives Projekt, denn die jungen Musiker studieren ja meistens noch, konzentrieren sich vor allem auf die Professionalisierung auf ihrem Instrument. Aber sie spielen meistens die Stücke zum ersten Mal im Orchester, sie sind da wegen der Musik und bringen eine entsprechend große Freude und Energie mit. Das ist auch für mich ein Jungbrunnen“, sagt David Afkham ganz im Ernst. Sei’s drum, manchmal schießt eben auch ein Dirigent übers Ziel hinaus.